Bewegung Welpen

Weil viele Welpen sich zu wenig bewegen dürfen, da immer noch die ominöse 5-Minuten-pro-Lebensmonat Regel unreflektiert weiterverbreitet wird, hier mal Aufklärung. 🙂

„Wie viel Bewegung braucht der wachsende Hund?
Ein Hundewelpe verbringt die ersten 10-14 Tage hauptsächlich mit Schlafen und Trinken.
Seine körperliche Aktivität beschränkt sich auf das Aufsuchen der Zitzen und kriechende Bewegungen von und zu den Wärmequellen. Während den Schlafphasen bewegen sich oft
die Muskeln von Beinen, Ohren und Gesicht.

Ab der dritten Lebenswoche beginnt der Welpe die Umwelt zu erkunden, und sein Bewegungsradius nimmt kontinuierlich zu. Für die normale Entwicklung des Gehirns sind nicht
nur die Eindrücke aus der Umwelt sowie die wechselseitigen Beziehungen zu Mutter, Geschwistern und Menschen unerlässlich, sondern auch die Reize durch Bewegung von Muskeln und Gelenken.
Je mehr Impulse der Bewegungsapparat im Gehirn auslöst, umso besser wird sich dieses entwickeln.
Mit zunehmendem Alter werden die Bewegungen koordinierter und vielfältiger.
Der Welpe bewegt sich bis er müde ist, um dann bis zur nächsten Wach- und Bewegungsphase zu schlafen.
Weder der Züchter noch die Hundemutter schränkt den gesunden Bewegungsdrang des Welpen ein.
Wenn ein Welpe nach Abgabe an den neuen Halter plötzlich in seiner Aktivität eingeschränkt wird, sich nur noch wenige Minuten pro Mal frei bewegen darf und womöglich sogar Treppen rauf- und runtergetragen wird, widerspricht dies den Erkenntnissen der Gehirnforschung. Diese hat klare Zusammenhänge zwischen erhöhter körperlicher Bewegung und
erhöhter Hirnaktivität aufgezeigt.
Körperliche Aktivität fördert die Gehirndurchblutung, unterstützt die Neubildung und Vernetzung von Nervenzellen und stimuliert den Hirnstoffwechsel. Die körperliche Aktivität ist für die Steuerung der Emotionen sowie für die Gedächtnis- und Lernleistungen beim Welpen und Junghund äusserst wichtig.
Spielerische Aktivität nach einer Trainingseinheit trägt dazu bei, die Leistung eines Hundes beim Lernen von neuen Fähigkeiten zu verbessern.
Durch Bewegung werden die verschiedenen Hirnareale für Wahrnehmung, Raumerfahrung, Körperbewusstsein, Koordinationsvermögen und Gleichgewichtssinn angeregt und weiterentwickelt. Bewegung fördert auch den Stoffwechsel und damit die Festigung der Knochen sowie die Entwicklung von Muskeln und Organen.
Komplexe Bewegungsabläufe können nur durch wiederholtes Üben erlernt werden.
An der Leine kann der Hund nur im Schritt gehen oder traben. Diese Gangarten beanspruchen den Bewegungsapparat aber nicht genügend.
Für eine gesunde körperliche und emotionale Entwicklung benötigt der Welpe von Anfang an und täglich Freilauf, was aufgrund des angeborenen Nachfolgetriebs des Welpen problemlos möglich ist. Der Welpe soll auch Treppen rauf- und runter steigen – dies fördert die Koordination und stärkt die Oberschenkelmuskulatur, welche die Gelenke schützt.
Freies Spielen mit anderen Hunden trainiert Muskulatur und Koordination, fördert Sozialkompetenz, Impuls- und Emotionskontrolle sowie Frusttoleranz und Risikokompetenz.
Ausserdem verbessert der spielerische Kontrollverlust beim ausgelassenen Toben und Balgen die Fähigkeit, auf plötzliche Ereignisse zu reagieren. Diese Anpassungsfähigkeit hilft
dem Hund, im späteren Leben mit unerwarteten Situationen umzugehen.
Wichtig ist, dass sich der Welpe nach körperlichen und mentalen Aktivitäten erholen kann
und ein bis zwei Stunden schläft. Vor allem in der Nacht sollte der Welpe ungestört und in
Geborgenheit schlafen können.
Der Körper entspannt sich, das Gehirn verarbeitet Erlebtes,
trennt Wichtiges von Unwichtigem und festigt Erlerntes. Darum ist es nicht so wichtig, wie lange der Welpe aktiv ist, aber umso wichtiger, dass er sich ausreichend erholen kann.
Ein achtwöchiger Welpe einer mittelgrossen Rasse ist rund 6 bis 7 Stunden pro Tag aktiv.
Diese Spielphasen dauern jeweils 30-40 Minuten, zweimal täglich auch bis zu einer Stunde oder mehr. Dazwischen schläft er jeweils 1 bis 2 Stunden. Die Nachtruhe beträgt acht Stunden, sie wird in der Regel durch zweimaliges Versäubern unterbrochen.

Empfehlung
Ein Welpe sollte sich ungehindert bewegen können, bis er müde ist. Es ist zu vermeiden,
ihn dann länger zu beschäftigen oder gar vom Schlafen abzuhalten. Bei den Ausflügen
nach draussen sollten am Anfang keine grossen Distanzen zurückgelegt, sondern Tempo
und Distanz dem Welpen angepasst werden. Je älter der Welpe, umso ausdauernder wird
er sein. Diese Ausflüge dürfen aber von Anfang an 30-40 Minuten und auch mal eine
Stunde dauern. Sportliche Aktivitäten des Halters zusammen mit dem Welpen wie Objekte
werfen, Joggen, Radfahren etc. sind noch nicht zu empfehlen.
Hingegen sollte der Halter seine Beziehung zum Welpen durch gemeinsames Entdecken der Umwelt fördern.
Zusätzlich soll das freie Spielen mit anderen Hunden und Lernen durch
Erfahrung durch das Ermöglichen von eigenen Entscheidungen im Vordergrund stehen.
Mit zunehmendem Alter des Hundes können die Dauer der Bewegung und die zurückgelegten Distanzen ausgedehnt werden. Sobald aber der junge Hund signalisiert, dass er müde ist, sollte eine Pause gemacht werden.

Je nach Endgrösse sollten Hunde bis 15 kg mit 5-6
Monaten, Hunde bis 30 kg mit 7-8 Monaten und grössere Hunde mit 9-10 Monaten genügend Muskulatur und Kondition entwickelt haben, dass sie ohne Einschränkung bewegt werden können.“
Dr. Marianne Furler, Verhaltensmedizinerin STVV, Tierphysiotherapeutin SVTPT, 2020

Literatur
„Hunde in Bewegung“, Martin S. Fischer und Karin E. Lilje, 2011
„How Play Makes for a More Adaptable Brain“, Sergio M. Pellis, Vivien C. Pellis, Brett T. Himmler, 2014
„Adaptation of canine femoral head articular cartilage to long distance running exercise in young beagles“,
Lammi M, Hakkinen TP, Parkkinen JJ, et al, 1993.
„Dog–Human Play, but Not Resting Post-Learning Improve Re-Training Performance up to One Year
after Initial Task Acquisition in Labrador Retriever Dogs: A Follow-On Study“, Nadia Affenzeller, Animals 2020
„Moderate running exercise augments glycosaminoglycans and thickness of articular cartilage in the knee joint
of young beagle dogs“ Kiviranta I, Tammi M, Jurvelin J, et al, 1988
„Auswirkungen von Sport und Bewegung auf die Entwicklung von Kindergartenkindern“
Andreas Frey, Christoph Mengelkamp, 2007
„Bewegung formt das Hirn – Lernrelevante Erkenntnisse der Gehirnforschung“, Laura Walk, 2011

http://www.stvv.ch/dokum…/merkblaetter/BewegungWelpe_d.pdf